Die Chenshi-Taiji 33-Form als Identitätsausweis: Memoiren von Taiji-Mann**Luigi Mele zu seinem Besuch in Beijing. |
Als
Taiji-Mann** Luigi Mele im 2012 Beijing besuchte, ging er zum Mondpark
und zeigte dort Meister Shi Tiezhu die Chenshi Taiji 33-Form vor. Damit
wurde er in der Chenshi-Gruppe als Taiji-Freund aufgenommen und konnte
mittrainieren. Ich spreche immer sehr gerne über diese Taiji-Geschichte. Es beweist, dass die einzigartige Chenshi-Taiji 33-Form als eine physische Sprache verwendet werden kann, die Nationale Grenzen überschreitet und über Sprachen und Rassen hinaus verstanden wird. Die Chenshi-Taiji 33-Form ist somit gleichsam ein Personalausweis, eine Alternative zur Identitätskarte. Damals wurde ich sofort der per E-Mail von einem chinesischen Freund aus Beijing informiert, dass Luigi Mele im Mond-Park angekommen sei. |
Mond-Park: Yuetan-gongyuan Park in Beijing 2012 Foto: Luigi Mele | ||
*Lei Chun / Shi Tiezhu / Luigi Mele | Shi Tiezhu | Yuetan-gongyuan Park in Beijing, China |
*Lei Chun ist das Enkelkind von Lei Muni |
Taiji-Mann** Luigi Mele Ich bat Luigi, seine Erfahrungen aus dem wirklichen Leben für dieses Heft niederzuschreiben. Luigis Erinnerungen an das Chenshi-Taijiquan im Mond-Park können Sie nun hier lesen: |
Im Jahre 2012 war ich für einen Monat auf Besuch in
Peking. Von Tadashi Kitamura, meinem Lehrer und Meister, hatte ich den
Hinweis bekommen , Ich solle den Yuetan-Park aufsuchen, da ich dort
möglicherweise Taiji-Praktizierende antreten würde, welche
die gleiche Chen Tradition trainieren wie wir an unseser Schule in
Zürich. Im Park entdeckte ich dann tasächlich eine Gruppe
von Leuten, die die mir vertrauten Chen Formen übeten.
Konzentriert führten sie ihre Formen aus, die meisten allein andere zu zweit. Es gab, wie im ganzen Park Bäume und genügend Sitzgelegenheiten. Ich setzte mich auf eine entferntere Steinbank und schaute zu. Neben der Chen Gruppe gab es eine andere, die den Yang-Stil praktizierte. Diese Gruppe sehr um Ihren Lehrer zentriert, der auch immer wieder laut seinen Kommentar abgab. In der Chen Gruppe ging es hingegen viel ruhiger zu. Es stellte sich aber schon schnell heraus, wer dann aber als weisester Ratgeber befragt wurde. Wie sich herausstelle hiess er Shi Tiezhu und war ein Mitstudent meines Lehrers beim damaligen Grossmeister Lei Muni. An diesem ersten Tag habe ich meine Trainigsschuhe noch nicht ausgepackt. Erst am folgenden Tag gesellte ich mich dann zu den Leuten, suchte eine Nische, wo ich doch eher zögerlich begann, meine Formen zu praktizieren. Ich fiel natürlich auf, trotzdem war da kein interesse der anderen für mich erkennbar. Erst durch die Vermittlung einer jungen Frau, die gar nicht am Training teilnahm, lernte ich dann ein paar Leute aus der Chen Gruppen kennen und bald darauf Meister Shi Tiezhu. (So unbemerkt, wie es mir schien, blieb ich aber gar nicht. Shi Tiezhu traf meinen Meister zu einem späteren Zeitpunkt wieder und erzählte ihm, dass ich sein Interesse schon zuvor geweckt hätte, da ich einmal die 33 Chenform ausführte, die nur Grossmeister Lei Muni lehrte. Somit musste ich also, so sein Schluss, bei einem Lehrer Unterricht haben, der seinerseits bei Lei Muni lernte.) Meister Shi Tiezhu ist damals ab und zu bei mir vorbeigekommen und hat mir Ratschläge gegeben, die ich gerne annahm, Ich empfand dabei das angenehme Gefühl, nicht weiter ein fremder Körper an diesem Ort zu sein.
Nach einigen Trainingstagen, nachdem wir nun schon ein weniger vertrater
waren, machten wir eine spontane Vorführung. Man zeigte einander,
was man gelernt hat und prüft sich gegenseitig mit aufmerksamem
Interesse. Darauf kamen zu meiner freudigen Überraschung weitere
Präsentation von Shi Tiezhu. Allein führte er die Formen
verschiedener Waffengattungen auf, so auch z.B. eine Stosswaffe, die
der europäischen Hellebarde ähnlich ist und auch auf mich recht
exotisch wirkte.
Ich hatte dann noch die Gelegenheit an einer Session Pushing hands mitzumachen. Da zeigte sich, dass ich bei weitem nicht die erhoffte Seelenruhe hatte, in den ausführenden runden Bewegungen, im Kontakt mit dem Gegenüber, meine innere Balance zu wahren und versuchte bald angestrengt eine Entscheidung herbeizuführen, d.h. den anderen aus dem Gleichgewicht zu bringen, was natürlich jämmerlich misslang. Einmal durfte ich mich mit einem Nachkommen von Lei Muni in dieser Disziplin messen. Nicht gross, von eher schmächtiger Statur, liess er mich nach etwa zwei Minuten kreisender Bewegungen ins Leere gleiten. Was ich von diesem Ort mitnahm, ist die Erinnerung, wie all die Leute im Park, egal was sie nun praktizierten, sich in völliger Hingabe und Konzentration befanden, der kein Raum für andere Gedanken zuliess. Die Achtsamkeit auf Körper und Geist schien so gross, dass bei ihren Ausführungen ein fast magischer Eindruck entstand. Gerne wollte ich beim Ausführen der Formen des TaijiQuan auch so eintauchen können. |
Dieses Ereignis zeigt deutlich, dass das traditionelle Chenshi-Taijiquan, das ich in Zürich lehre, mit jenem in Beijing, China verbunden ist, und dass die Chenshi-Taiji 33-Form eine besondere physische Sprachmission hat. Es gibt nur drei Orte auf der Welt, wo die traditionelle Chenshi-Taiji 33-Form praktizeirt wird: Beijing, Tokio und Zürich. |
Text entnommen von Seite 12 bis 14 der Beschreibung des Taijiquan aus dem TGZ-Heft 2022 "Das Openair-Taiji als ursprünglichstes Modell des Taiji-Trainings" |